Von Bert Bertling
Wir erinnern uns: Schon im 12. Jahrhundert hatte Mastholte eine kleine Kapelle, die von Wadersloh kirchlich versorgt wurde. 1570 wurde aus den Gebieten Mastholte, Nordfechteler und dem größten Teil von Moese das Kirchspiel Mastholte – Bedingung: alle mussten evangelisch werden, wie bereits seit 1537 die übrige Grafschaft Rietberg evangelisch war. Mit der Gründung des Kirchspiels gehörte Mastholte also seit 1570 zur Grafschaft Rietberg.
ERST EVANGELISCH, DANN KATHOLISCH
Die Kapelle war dem Schutzpatron der Haustiere, dem Heiligen Antonius geweiht, der daher „Swinetüns“ genannt wurde. Diese Kapelle machte Rietbergs Landesherr Graf Erich von Hoya zur ersten Pfarrkirche mit umliegendem Friedhof. 1610 wechselte das Grafenpaar Johann III. und Sabina Catharina wieder zum katholischen Glauben; das mussten dann auch die Untertanen in Mastholte.
Der zuständige katholische Bischof in Osnabrück aber blieb skeptisch ob dieses schnellen Wechsels wieder in die katholische Kirche. Auch die evangelischen Nachbarn hegten ihre Zweifel. Denn das Ganze hatte politischen Charakter: In evangelischer Zeit nämlich hatten die Rietberger Grafen das Recht, die Pastöre selbst auszusuchen und zu ernennen. Zwar behielten sie dieses Ernennungsrecht. Aber das katholische Osnabrück versuchte dennoch, stark mitzureden!
Aus diesem Umstand zog Mastholte nun durchaus seinen Nutzen. Denn Rietberg wollte – eben zur Sicherung seiner kirchenrechtlichen Hoheit – die Osnabrücker Kirchenoberen besänftigen. Die Grafen erboten sich daher um 1650, für Mastholte eine neue Kirche zu bauen, denn die kleine Kapelle am Haustenbach war inzwischen baufällig. Man wollte so demonstrieren, dass man nach der evangelischen Zeit jetzt dem katholischen Glauben wieder alle Aufmerksamkeit widmete. (1)
Fünf Jahre nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges, 1653 begann man mit dem Bau der heutigen Mastholter Pfarrkirche, schon drei Jahre später fand dort der erste Gottesdienst statt, aber erst 1658 weihte der Osnabrücker Bischof üblicherweise anlässlich seiner Firmreise die neue Kirche. Jetzt aber wählte man nicht mehr St. Antonius zum Pfarrpatron. Der behielt ja noch 15 Jahre bis 1673 seine Pfarrkapelle in Mastholte-Süd (dann wurde sie, baufällig, abgerissen). Im nächsten Jahr also will St. Jakobus Mastholte den 350. Jahrestag der Kirchweih begehen.
VON ANTONIUS ZU JAKOBUS
Schon seit dem frühen Mittelalter gab es die bekannte Pilgerbewegung nach La Compostela. Millionen erreichten schon damals über ein verstreutes Netz von Pilgerstraßen den Ort an der spanischen Atlantikküste. Eine solche Pilgerbewegung, die im Mittelalter im Verhältnis zur Bevölkerung sicherlich noch größere Bedeutung hatte als heute, wo bis zu 4 Millionen jährlich dort hinpilgern, ließ mit großer Wahrscheinlichkeit auch den Grafen von Rietberg nicht unbeeindruckt. Lag doch Mastholte an einem dieser Pilgerwege von Herford/Bielefeld über Rietberg und Mastholte nach Lippstadt, Soest über Köln weiter nach Spanien. Solche Wallfahrten dauerten in der Regel zwei Jahre oder mehr. Man legte zu Fuß und Pferd etwa 30 km täglich zurück.
Durch die Bedeutung der Wallfahrtsstrecke entstanden so genannte Pilgerstätten. Man musste übernachten, versorgt werden und hielt sich womöglich nach Tagen der Wallfahrt zum Kräfteschöpfen länger auf. Solche Punkte waren für die einheimische Bevölkerung eben auch geschäftlich interessant. Das ist wohl die Erklärung für die Wahl des Pfarrpatrons St. Jakobus des Älteren. Freilich gibt es dafür bisher keine konkreten Belege.
Es gab einst das Gerücht, die neue Kirche sei 1653 an einen vorhandenen Wehrturm angebaut worden. Das habe ich in meinem Buch von 1997 über Mastholte entsprechend richtig gestellt. Nimmt man nämlich den Bauvertrag, den Graf und Baumeister miteinander vereinbarten, so wird schnell deutlich, dass an der beabsichtigten Stelle kein Turm stand, denn im Vertrag vereinbarte man, eine Kirche mit Turm zu bauen! Es ist dort auch nicht die Rede von einem vorhandenen Turm. Ich habe den vollen Wortlaut des Vertrages und die Entwicklung dieser Geschichte damals im Buch ausführlich dargelegt. (2)
Die Ironie will es, dass es schließlich sogar noch umgekehrt war: Zuerst stand die Kirche und erst nach und nach wurde der Turm fertig. Baubeginn der Kirche 1653, Einweihung 1658, Fertigstellung des Turms 1691!
STANDORT DER NEUEN KIRCHE
Ein Wort noch zum neuen Standort der Kirche: Wir erinnern uns, die Vorgängerin, die St. Antonius-Kapelle, stand ja in Mastholte-Süd. Das Gelände der neuen St. Jakobus-Kirche im Dorf aber gehörte zum Drostenhof Graswinkel in Moese-Hammoor, auf dem der Verwalter der Grafschaft Rietberg bekanntlich residierte. Die Vermutungen, der Verwalter der Grafschaft wollte die Kirche näher zum Graswinkel sehen und nutze bei dieser Gelegenheit seine Möglichkeiten, bewahrheiteten sich so.
Die von Balckes, Erbdrosten auf Graswinkel damals, diese Verwalter zur Zeit des Kirchbaus sollen im Altarraum der St. Jakobus-Kirche ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Notwendige Erdarbeiten bei der Anlage einer Heizung im letzten Jahrhundert bestätigten das Vorhandensein eines Grabes im Chorraum, was übrigens zur damaligen Zeit so ungewöhnlich nicht war.
EIN FRANZISKANER ARCHTITEKT?
Sankt Jakobus Mastholte ist ursprünglich als flacher Saalbau mit einer Holzdecke konzipiert und so auch zunächst gebaut worden. – Schlichter konnte eine Kirche auch damals nicht gedacht und entworfen werden. Sein Gewölbe erhielt der Bau erst im 19. Jahrhundert (1857). (3)
Lediglich die lichten Masse in der Länge von 33,20 m und der Breite von 9,60 m galten auch seinerzeit als bemerkenswert. Ohne Sockel führte Baumeister Armst das Gebäude aus Kalkbruchsteinplatten aus. Für die Schmuckgliederungen wie Eckquader, Regenschlagleisten, Gesims und Fenstergewände verwendete er den gelblichen Osning-Sandstein aus einem Steinbruch bei Lemgo, der ihm wohl zur Verfügung stand. Vor allem aber das wunderschöne Portal leuchtet noch heute gelb-braun-sand-steinfarben in der westlichen Abendsonne und dominiert den Kirchplatz.
Auffällig ist die Position des Mastholter Kirchturms. In Westfalen wurde er in der Barockzeit schon aus statischen Gründen vor die Westseite des Langhauses gesetzt, um dem Druck der Gewölbe ein Gegengewicht zu geben. Nicht so in Mastholte. Hier steht er neben dem Westportal. Die flache Holzdecke des Langhauses erzeugte keinen Außendruck.
So konnte man alles in allem erhebliche Mittel für teure Konstruktionen sparen. Unmittelbar nach dem 30-jährigen Krieg eine verständliche Maßnahme. Man darf wohl vermuten, dass nicht Bauherr Armst, sondern ein Franziskaner „Architekt“ bei diesem Kirchbau spielte. Die spartanische Denkweise franziskanischen Lebens reichte bis in die Baukultur hinein. (4)
In der Tat lassen sich Ähnlichkeiten zwischen der Franziskaner-Kirche in Rietberg und der Mastholter Pfarrkirche nicht übersehen: Beide waren ursprünglich gewölbelose, mit flacher Holzdecke versehene einschiffige Saalkirchengebäude. Beide stimmen in den Maßen genau überein, wie sie oben schon für Mastholte genannt wurden. Das trifft sogar für die Mauerstärken zu!
Weitere Gemeinsamkeiten: Die Langhausseiten sind durch vier Fenster gegliedert, die 3/8- Chöre sind sozusagen Fortsetzung des Langhauses, indem sie sich ohne architektonische Besonderheiten anfügen. Wenn man nun noch bedenkt, dass die Franziskaner in eben dieser Zeit eifrige Kirchbauherren in Ostwestfalen waren und sie eine enge Beziehung zum Rietberger Grafenhaus pflegten – denken wir ans Kloster -, so kann man nicht umhin zu konstatieren: Der Architekt der Mastholter Kirche muss ein Franziskaner gewesen sein!