Der Ball am Vorabend von Jakobi
Und nun zum Ball, der ja eng mit dem Mastholter Fest verbunden ist:
Im Jahre 1656 ist also in Mastholte schon ein Jahrmarkt oder auch Viehmarkt nachgewiesen. Wahrscheinlich zusammenhängend mit der gerade errichteten neuen Kirche in Mastholte, der Jakobikirche. Ein Markt, der sich zunehmend als Pferdemarkt qualifizierte und das hatte seine Gründe:
Zum einen lag der Termin zu Beginn der Erntezeit. Die Bauern betrachteten ihren „Bestand“ an Pferden unter dem Blickwinkel der anstehenden Erntearbeiten und handelten und tauschten auf einem solchen Markt, bis dass das vermeintlich richtige Pferd für die kommenden Arbeiten im Stall stand. Es konnte durchaus sein, dass nach getaner Erntearbeit auf einem der Nach-Erntemärkte, die gewöhnlich südlich von Mastholte in der Soester Börde stattfanden, der „alte Klepper“, für die schwere Erntearbeit ungeeignet, für die Winterzeit wieder eingehandelt wurde.
Solche „Geschichten“ werden mit entsprechend ausgemaltem Kolorit noch heute in Mastholte allenthalben erzählt. Ist doch der Pferdemarkt bis nach dem 2. Weltkrieg noch von hoher Bedeutung für die Landwirtschaft in unserem Raum gewesen. Der Pferdemarkt mag der Grund dafür gewesen sein, dass spätestens ein Jahrhundert nach Gründung des Marktes die im Pferdehandel erfahrenen Sinti und Roma, nach Mastholte kamen, um sich am Markt zu beteiligen.
SINTI UND ROMA
Der Kaunitzer Wenzel Anton, Mitte des 18. Jahrhunderts über 40 Jahre österreichischer Kanzler und auch Rietberger Landesherr, hatte seinen Untertanen in Mähren und Böhmen die drei Pferdemärkte in Ostwestfalen empfohlen: Wilbasen bei Detmold, Schloss Holte und Mastholte!
Sinti und Roma – so eigentlich heißen die beiden Volksgruppen, die später dann als eine Gruppe genannt wurden. Der Name beschreibt ihre Lebensweise als fahrendes, ziehendes Volk – als umherziehende Gaukler, also Künstler und Händler (auch von Vieh und Pferden) auf den Jahrmärkten. Die Volksgruppe der Sinti wird schon seit dem Mittelalter in deutschen Landen verzeichnet. Die Roma mit offenbar gleicher Lebensweise kamen vor etwa 150 bis 200 Jahren vom Balkan her dazu. Ursprünglich stammen beide Volksgruppen aus Vorderindien. Sie wurden dort durch Krieg und Unruhen vertrieben.
In selbstgebauten Wohnwagen, den typischen des fahrenden Volkes, erschienen Sie am Tage vor Jakobi – manchmal waren es bis zu 20 solcher Wagen. Bis nach dem 2. Weltkrieg erinnern die Mastholter dieses Schauspiel:
Ihre schwarzen Kastenwagen waren behangen mit Körben, Kannen, Tonnen, Pfannen und anderen Geräten, die im Haushalt gebraucht werden konnten. Unter dem Wagen hing der Geflügelkasten, aufgehängt an vier Ketten, darin gackerten Hühner, quakten Gänse. An den Seiten sprangen kleine und große, gemischtrassige Hunde – je nach Gefährlichkeit – an der Leine oder frei herum. Manchmal ein Pony, in der Regel aber ein kleinwüchsiges Pferd zog diese Fracht die damals noch holprige Dorfstraße hinunter.
PFERDEHANDEL UND KRAMMARKT
Auf dem Bock saß, die Peitsche schwingend, das Oberhaupt der Sippe mit markantem Oberlippenbart, schwarzer Kleidung und bunten Accessoires. Am hinteren Ende trotteten angebundene Ponys oder auch ausgewachsenen Pferde, die alle Handelsobjekt für den Jakobimarkt waren. Auf der Dorfstraße machten dann die Kinder schon einmal darauf aufmerksam: Heut ist ein besonderer Tag in Mastholte: Heut ist der Ball! Es war nämlich Abschluss der Saison der Vor-Erntezeit vor allem mit dem Pferdhandel. Und die meisten aus dem norddeutschen Raum trafen sich dann in Mastholte!
Die Anwesenheit in einem Ort unterlag strengen Auflagen und Ermahnungen der preußischen Obrigkeit. Unter anderem hatten die Sinti und Roma nur 24 Stunden Aufenthaltsrecht in einer Gemeinde. Am selben Abend aber feierte man traditionsgemäß. Man gab nicht viel um diese strengen Ermahnungen. Dieser Tag vor Jacobi war ihr Fest im Jahr – das Fest der Händler, nicht das Fest der Mastholter!
In Mastholte entzündete man das Lagerfeuer, Musik spielte auf, es wurde getanzt und gesungen. Ein lebensfrohes Volk sind die Sinti und Roma bis heute. Ihre Musik, manchmal ein wenig schwermütig, ihre Tänze, Ausdruck reicher Empfindungsfähigkeit und Leidenschaft – Musik und Tanz sind vor allem in Ungarn zuhause. Vielleicht aber haben diese beiden Stämme auch dieses Temperament dorthin gebracht. Dieses urwüchsige Temperament, das volle Leben, das hier in Mastholte so schwer nachvollziehbar war und bleibt. (8)
Heute heißt der Vorabend des Jakobi-Marktes in Erinnerung an die Sinti und Roma noch heute Ball. Wenn auch keine Sinti und Roma mehr anzutreffen sind (das letzte mal übrigens 1989!), so ist doch für die Mastholte dieser Abend unter seinem Titel „Ball“ ein Fest im ganzen Dorf, in allen Gaststätten und an den Ständen zum Jakobi-Markt entlang der Dorfstraße. Zum Datum: Der Ball mag also etwa 100 Jahre jünger sein als der Jakobi-Markt mit dem Handel von Vieh, Pferden und Kram und Trödel! Seit Anfang des 20. Jahrhunderts kam auch mehr und mehr eine Kirmes hinzu. Außer den Pferden ist alles bis heute im Handel auf dem Markt, der regelmäßig von über 20000 Menschen besucht wird. (9)
Anmerkungen
- Helmut Kockow „Stadt Lippe – Lippstadt“, Seite 159
- Vergl. W. Ehbrecht (Hg.) „Lippstadt – Beiträge zur Stadtgeschichte“, 1985, Kapitel „Stadtbrände des 17. Jahrhunderts“, Seite 403 f
- Seit der Zeitenwende zählten die Astronomen das Jahr mit 365 Tagen und einem Viertel Tag. Dafür war der 29. Februar als Schalttag alle 4 Jahre notwendig, damit über längere Jahre die Jahreszeiten mit dem Kalender übereinstimmten. Im Jahre 1582 aber stellten die Astrologen von Papst Gregor der XIII. fest, das Jahr hat 11 Minuten und 14 Sekunden weniger als 365 1/4 Tage, wenn man den Himmel genau beobachtete. Der Frühling begann nach ihren Mondbeobachtungen damals bereits 14 Tage zu spät. Der Kalender wurde um 14 Tage zurück geschrieben. Das fand zur Zeit unserer Darstellung im 17. Jahrhundert zögerlich auch in unseren Breiten statt.
- Heinrich Scholand in „Heimatblätter Lippstadt 1930, Nr. 6, 12. Jahrgang, 26. Juli, Seiten 21 + 22
- Arnold Möller ….
- ebenda, Seite 343
- Vergl. Bert Bertling „Mastholte – Die Geschichte zweier Gemeinden“, 1997, Kapitel „Von Antonius zu St. Jakobus“, Seiten 101 ff
- ebenda
- Vergl. meine Darstellung in „700 Jahre Mastholte“ in Jubiläumsschrift zur 700-Jahr-Feier der Ortschaft Mastholte“, 2000, Seite 30 ff